Dezember 2015

Stadt Kiel haftet nicht für die gesamten GEMA-Gebühren der „Kieler Woche“

14.12.15 | Die Stadt Kiel haftet nicht für die Zahlung aller GEMA-Gebühren, die für musikalische Veranstaltungen auf der Kieler Woche anfallen, entschied das OLG Schleswig am 07. Dezember 2015 (Az.: 6 U 54/13, 6 U 43/14).

Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) klagte gegen die Stadt Kiel auf Zahlung der Gebühren für die öffentliche Darbietung von Musik auf der gesamten Kieler Woche von 2006 bis 2012. Bis 2005 zahlte die Stadt die Gebühren pauschal für jegliche Musikdarbietungen auf der Veranstaltung. Anschließend nahm sie die jeweiligen Veranstalter auf Zahlung der entsprechenden Gebühren in Anspruch.

Seit 2006 zahlte die Stadt Kiel allerdings nur noch die Gebühren für ihre eigenen Darbietungen. Die weiteren Gebühren für alle anderen musikalischen Veranstaltungen musste die GEMA von jedem Veranstalter einzeln verlangen. Dagegen klagte die GEMA und unterlag nun vor dem OLG Schleswig.

Das Gericht war der Auffassung, dass die Stadt nur für ihre eigenen Live-Musikdarbietungen und Tonträgerwiedergaben verantwortlich sei, da sie nicht als Veranstalterin der gesamten Kieler Woche im Sinne des Urheberrechts anzusehen sei.

Die Stadt hafte nicht für die Veranstaltungen, für die sie lediglich die Veranstaltungsräume und -flächen zur Verfügung stelle. Die jeweiligen Veranstalter hätten ihr Vorhaben zwar bei der Stadt anzumelden, dennoch habe die Stadt Kiel auf den weiteren Verlauf der Organisation und den Inhalt der einzelnen Musikveranstaltungen keinen Einfluss. Sie könne deshalb nicht als Veranstalterin für alle musikalischen Darbietungen der ganzen Kieler Woche gelten und für die gesamten GEMA-Gebühren haften.


Aufrechnung der Finanzverwaltung in der Insolvenz natürlicher Personen

04.12.15 | Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 26.11.2014 (VII R 32/13) seine Rechtsprechung bestätigt und fortentwickelt, nach der ein Steuerguthaben, welches aus einer gem. § 35 Abs. 2 InsO freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners resultiert, seitens der Finanzverwaltung mit Steuerverbindlichkeiten, die vor Insolvenzeröffnung entstanden sind, verrechnet werden können. Insoweit sind folgende Sachverhalte in Bezug auf bestehende Aufrechnungsmöglichkeiten zu unterscheiden:

I. Steuererstattungsansprüche aus nichtselbständiger Tätigkeit des Schuldners
Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, dass dem Schuldner zurzeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Hierunter fallen grundsätzlich auch Steuererstattungsansprüche. Für die Einkommensteuer nichtselbständig tätiger Schuldner bedeutet dies, dass Erstattungsansprüche der Insolvenzmasse zustehen, soweit sie sich auf Veranlagungszeiträume bis zur Verfahrensbeendigung in Form der Aufhebung gem. § 200 InsO oder der Einstellung beziehen. Für das Veranlagungsjahr, in dem die Verfahrensbeendigung eintritt, ist ein sich ergebender Steuererstattungsanspruch aufzuteilen in dem Zeitraum vor und nach Verfahrensbeendigung.

Erstattungsansprüche, die sich auf Einkünfte des Schuldners bis zum Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung beziehen, stehen der Masse zu. Erstattungsansprüche, die nach dem Zeitraum der Verfahrensbeendigung herrühren, sind an den Schuldner zu leisten. Soweit hiernach Erstattungsansprüche der Insolvenzmasse zustehen, können diese seitens der Finanzverwaltung nicht gegen Steuerverbindlichkeiten des Schuldners aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung aufgerechnet werden. Insoweit greift das Aufrechnungsverbot der Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, welche eine Aufrechnung unzulässig macht.

Nach Verfahrensbeendigung bis zur Rechtskraft der Restschuldbefreiung ist demgegenüber eine Aufrechnung der Finanzverwaltung mit Steuerforderungen, die vor Eröffnung des Verfahrens entstanden sind möglich und zulässig.

II. Selbständiger bei nicht freigegebenem Geschäftsbetrieb

Geht der Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren einer selbständigen Tätigkeit nach, die von dem Insolvenzverwalter nicht nach § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigeben wurde, handelt es sich bei den anfallenden Steuern um sogenannte Masseverbindlichkeiten. Steuererstattungsansprüche, die aus einer nicht freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners resultieren, stehen der Insolvenzmasse zu. Auch hier gilt, dass eine Verrechnung mit Erstattungsansprüchen mit Steuerverbindlichkeiten des Schuldners aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung aufgrund des insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbots gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht möglich sind.

III. Selbständiger mit freigegebenem Geschäftsbetrieb

Geht der Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren einer selbständigen Tätigkeit nach und hat der Insolvenzverwalter diese Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, stellt sich die Situation der Aufrechnungsmöglichkeit der Finanzverwaltung anders dar.

Resultieren die Steuerverbindlichkeiten aus einer freigegebenen selbständigen Tätigkeit des Schuldners, handelt es sich hierbei nicht um Masseverbindlichkeiten, sondern um sogenannte Neuverbindlichkeiten des Schuldners, die dieser aus seinem insolvenzfreien Vermögen zu zahlen hat.

Umgekehrt stehen Steuererstattungsansprüche, die aus dieser Tätigkeit resultieren, nicht der Insolvenzmasse, sondern dem Schuldner zu. Allerdings besteht hinsichtlich dieser Steuererstattungsansprüche eine uneingeschränkte Verrechnungsmöglichkeit der Finanzverwaltung mit Steuerverbindlichkeiten, die der Schuldner vor Insolvenzeröffnung begründet hat und insoweit gegenüber der Finanzverwaltung als Insolvenzforderungen zu qualifizieren sind. Aufgrund der Freigabe des Geschäftsbetriebes und einer hieraus herrührenden Steuererstattung ist der Schutzbereich des insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbotes nicht berührt.

In allen Fällen, in denen ein Steuererstattungsanspruch nicht der Insolvenzmasse, sondern dem Schuldner zusteht, hat die Finanzverwaltung die Möglichkeit einer Aufrechnung mit Steuerforderungen des Schuldners, welche vor Insolvenzeröffnung entstanden sind.

Der Schuldner sollte daher darauf achten, in der vorstehend beschriebenen Fallkonstellation möglichst geringe Steuererstattungsansprüche zu erzielen. Bezüglich der Umsatzsteuer kann dies durch sachgerechte Steuerung seiner Eingangs- und Ausgangsrechnungen erfolgen, um einen möglichst kleinen Vorsteuererstattungsanspruch entstehen zu lassen. Bei der Einkommenssteuer kann dies durch eine sachgerechte Anpassung von Einkommenssteuervorauszahlungen und ggf. einem Antrag auf Herabsetzung der zu leistenden Vorauszahlungen erfolgen.

Auch im Falle einer Zusammenveranlagung mit einem Insolvenzschuldner, kann der mitveranlagte Ehepartner von einer erfolgten Aufrechnung betroffen sein.

Da in diesen Fällen auch die Beantragung eines Aufteilungsbescheides nicht zum Schutz des mitveranlagten Ehepartners führt, wäre darauf zu achten, dass entsprechende Einkommensteuervorauszahlungen unter Ausspruch einer ausdrücklichen Zahlungsverwendung zugunsten des betroffenen Mitveranlagten erfolgen.


Täuschung von Verbrauchern durch „Himbeer-Vanille-Abenteuer“

04.12.15 | Die Werbung für „Felix Himbeer-Vanille-Abenteuer“ – Früchtetee mit Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten ist unlauter, da sie im konkreten Fall Verbraucher über die tatsächlichen Zutaten in die Irre führt. Dies entschied der BGH am 02. Dezember 2015 (Az.: I ZR 45/13).

Der klagende Verbraucherverband nahm den Tee-Hersteller Teekanne auf Unterlassung und Abmahnkosten in Anspruch, weil er der Meinung war, dass die Käufer durch die Aufmachung der Verpackung über die tatsächlichen Inhaltsstoffe des Tees getäuscht werden. Auf der Verpackung waren Bilder von Himbeeren und Vanilleblüten sowie die Hinweise „nur natürliche Zutaten“ und „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ abgedruckt. Der Tee enthielt aber weder Bestandteile noch Aromen von Vanille oder Himbeeren.

Im Zuge des Revisionsverfahrens befragte der BGH den Europäischen Gerichtshof (EuGH), ob die Aufmachung eines Produkts den unzutreffenden Eindruck erwecken darf, dass eine bestimmte Zutat enthalten sei, auch wenn sich nur aus der abgedruckten Zutatenliste ergibt, dass die Zutat nicht vorhanden ist. Der EuGH lehnte dies ab.

Der BGH entschied daraufhin, dass die hervorgehobenen Angaben „Himbeer-Vanille- Abenteuer“ und die Bebilderung bei den Käufern die Annahme hervorrufe, es seien wirklich entsprechende Himbeer- Vanille-Bestandteile oder Aromen enthalten. Auch wenn der Verbraucher dies aus der Zutatenliste entnehmen könne, so sei eine Irreführung über die Eigenschaften des Produkts nicht ausgeschlossen. Gerade wegen der in den Vordergrund gestellten Angaben entstehe der Eindruck, dass das Produkt etwas beinhalte, was tatsächlich nicht vorhanden sei.


OLG Hamm: Abmahnungen in Serie können rechtsmissbräuchlich sein

04.12.15 | Das Oberlandesgericht Hamm entschied am 15. September 2015 (Az.: 4 U 105/15), dass serienmäßige Abmahnungen, die in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur eigentlichen Tätigkeit des Abmahnenden stehen, rechtsmissbräuchlich sind. Der entsprechende Antrag auf einstweilige Verfügung wegen eines Wettbewerbsverstoßes ist dann als unzulässig zurück zu weisen.

Eine Briefkasten-Händlerin ging wegen eines Wettbewerbsverstoßes gegen einen Wettbewerber vor und erwirkte gegen ihn eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung von wettbewerbswidrigem Werbeaussagen. Daraufhin ermittelte die Händlerin weitere zahlreiche mutmaßliche Verstöße durch Wettbewerber und beauftragte ihren Anwalt mit der Abmahnung dieser Konkurrenzunternehmen. Insgesamt ließ sie innerhalb weniger Tage 43 und schließlich 200 angebliche Wettbewerbsverstöße abmahnen. Ein Wettbewerber, der in einem nachfolgenden einstweiligen Verfügungsverfahren unterlag, ging beim OLG Hamm in Berufung, welches den ursprünglichen Antrag dann als unzulässig verwarf.

Die wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen seien vorliegend rechtsmissbräuchlich gewesen, da sie vorwiegend den Zweck verfolgten gegen den Abgemahnten einen Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten entstehen zu lassen, so das OLG Hamm. Die Abmahntätigkeit der Briefkasten-Händlerin habe kostenmäßig nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrer eigentlichen Tätigkeit, nämlich dem Online-Verkauf von Briefkästen, gestanden.

Sie sei ein unverhältnismäßig hohes Kostenrisiko eingegangen, indem sie ihren Anwalt mit der Versendung von zahlreichen Abmahnungen beauftragte. Allein die 43 Abmahnungen hätten zunächst Kosten in Höhe von 42.000 € entstehen lassen. Gerichtliche Verfahren hätten diese Kosten noch vervielfältigt. Es sei daher nicht anzunehmen, dass ein vernünftig handelnder Kaufmann ein derartiges Risiko eingehen würde. Die Briekasten-Händlerin ging somit rechtsmissbräuchlich gegen die Wettbewerber vor. Auch wenn diese tatsächlich gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen hätten, so konnte die Händlerin nicht in derartigem Umfang dagegen vorgehen.


Pippi Langstrumpf-Kostüm verstößt auch nicht gegen Wettbewerbsrecht

02.12.15 | Der BGH entschied am 19. November 2015 (Az.: I ZR 149/14), dass die Werbung für eine Pippi Langstrumpf-Verkleidung keine unlautere Nachahmung nach dem Wettbewerbsrecht darstellt. Es verletzt zudem auch nicht die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur von Astrid Lindgren.

Die Klage richtete sich gegen eine Supermarkt-Kette, die im Januar 2010 bundesweit Pippi Langstrumpf-Kostüme verkaufte und mit Aufnahmen warb, die ein Mädchen und eine junge Frau in dem typischen Kostüm zeigten. Die Kläger gingen gegen den Vertrieb und die Werbung für die Verkleidung vor und klagten auf Zahlung einer Lizenzgebühr, da sie der Meinung waren, dass dies gegen Urheber- als auch Wettbewerbsrecht verstoße. Sie meinten, dass die Abbildungen im Rahmen der Werbung zu sehr an die Romanfigur angelehnt seien.

Die Streitigkeit gelangte bis zum BGH, der schon 2013 eine Urheberrechtsverletzung ablehnte, da für das Kostüm nur die äußeren Eigenschaften der Romanfigur umgesetzt wurden. Die übernommenen Merkmale seien lediglich die typische Frisur und die Kleidung, dies reiche für eine Urheberrechtsverletzung nicht aus. Eine Verletzung würde voraussetzen, dass neben dem Aussehen auch die bekannten Charaktereigenschaften von Pippi Langstrumpf, wie die Stärke, der Mut und die Unabhängigkeit, übernommen worden wären. Dies sei bei der Abbildung eines Kostüms nicht gegeben.

Von einer wettbewerbsrechtlichen Verletzung ging der BGH in seiner neuesten Entscheidung ebenso nicht aus. Dieser Entscheidung legte das Gericht eine ganz ähnliche Begründung zugrunde. Die Abbildung mit dem verkleideten Mädchen und der jungen Frau sei keine Nachahmung im Sinne des Wettbewerbsrechts, da zwischen den charakteristischen Eigenschaften der Romanfigur Pippi Langstrumpf und der Gestaltung des Kostüms nur geringe Übereinstimmungen vorliegen. Für eine wettbewerbsrechtliche Nachahmung genüge es nicht, dass einige optische Merkmale in dem Kostüm verarbeitet seien.