Mai 2013

Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit

07.05.13 | Hat der Gläubiger zur Rückzahlung eines befristeten fälligen Darlehens nicht gesondert aufgefordert, ist die Tilgungsverpflichtung des Schuldners bei Prüfung seiner Zahlungsfähigkeit dennoch zu berücksichtigen. Dem Schuldner kann trotz Prolongation eines Darlehens die Zahlungsunfähigkeit drohen, wenn laufende Umschuldungsverhandlungen keine sichere Erfolgsaussicht bieten.

Der neunte Senat des Bu,,ndesgerichtshofs hat mit Urteil vom 22.11.2012 zu dem gerichtlichen Aktenzeichen IX ZR 62/10, erneut betont, dass an das Merkmal des „ernsthaften Einforderns“ keine besonderen Anforderungen gestellt werden und es lediglich dazu dienen soll, solche fälligen Forderungen bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit auszuschließen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung – gestundet sind.

Im vorliegenden Fall machte der Insolvenzverwalter Zahlungsansprüche gegen das kontoführende Kreditinstitut aus einer , anlässlich der Rückführung der Kreditlinie geltend.

Nach § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor Verfahrenseröffnung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, anfechtbar, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Kennt der Schuldner seine Zahlungsunfähigkeit, kann regelmäßig auf seinen Benachteiligungsvorsatz geschlossen werden.

Auch eine bloße drohende Zahlungsunfähigkeit stellt ein starkes Indiz für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners dar, wenn ihm diese bei Vornahme der Rechtshandlung bekannt war. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Schuldner auf Grund konkreter Umstände, wie etwa der sicheren Aussicht auf eine zeitnahe Kreditgewährung oder der Realisierung von Forderungen, mit einer baldigen Überwindung der Krise rechnen kann.

Zahlungsunfähig ist der Schuldner, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO. Demgegenüber droht Zahlungsunfähigkeit, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen, § 18 Abs. 2 InsO.

Eine Forderung ist hierbei dann zu berücksichtigen, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Hierfür genügt es, wenn die Fälligkeit aus der ursprünglichen Vertragsabrede herrührt. Eine zusätzliche Rechtshandlung im Sinne eines Einforderns ist daneben aus Sicht des Bundesgerichtshofes entbehrlich. Vor diesem Hintergrund bedarf es nach dem Ablauf einer Prolongation keiner weiteren Handlung des Kreditinstitutes, um seinen Willen zu bekunden, dass dieses von der Gemeinschuldnerin Erfüllung verlangt.

Da im vorliegenden Fall Ablöseverhandlungen mit einer anderen Bank weit fortgeschritten waren und angeblich kurz vor dem Abschluss standen, hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Berufungsgericht zurückgewiesen. Der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin wäre somit nur dann nicht gegeben, wenn sie zum Zeitpunkt der an das Kreditinstitut erfolgten Zahlungen die sichere Erwartung haben dürfte, dass die Ablöseverhandlungen in kürze erfolgreich abgeschlossen, die Darlehensverbindlichkeiten bei dem beklagten Kreditinstitut mit den neu erschlossenen Mitteln getilgt und auch die übrigen dann noch fälligen Zahlungspflichten erfüllt werden konnten.

Selbst wenn im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen auch noch keine Zahlungsunfähigkeit bei der Schuldnerin vorgelegen haben sollte, so war sie nach dem zu beurteilenden Sachverhalt dennoch drohend zahlungsunfähig. Somit gab es aus Sicht des Bundesgerichtshofes für eine Fortdauer der Stundungsvereinbarung über den Zeitpunkt eines Scheiterns der Ablöseverhandlungen hinaus keine Anhaltspunkte.