Oktober 2014

Privater Krankheitskostenversicherungsvertrag in der Insolvenz

30.10.14 | Ein privater Krankheitskostenversicherungsvertrag wird nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst und unterliegt daher nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO.

Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, nahm den Schuldner, über dessen Vermögen am 10.06.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, auf Zahlung rückständiger Prämien für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 30.06.2010 aus einem Vertrag über Kranken- und Pflegeversicherung in Anspruch. Versicherungsnehmer dieses Vertrages war der Beklagte; seine Familie war zunächst mitversichert, später Alleinversicherte des Vertrages. Der Beklagte hat eingewandt, dass die geltend gemachten Ansprüche sämtlich nach Verfahrenseröffnung entstanden und nicht mehr durchsetzbar seien, weil der Treuhänder unstreitig die Erfüllung gem. § 103 Abs. 2 InsO abgelehnt habe.

Mit Urteil vom 19.02.2014 hat der Bundesgerichtshof zu dem gerichtlichen Aktenzeichen IV ZR 163/13 entschieden, dass die Vorschrift des § 103 InsO der Durchsetzbarkeit der Klageforderung nicht entgegensteht. Zwar fallen auch Versicherungsverträge als Dauerschuldverhältnisse, die noch nicht vollständig erfüllt sind, im Grundsatz unter das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO, sofern sie vom Insolvenzbeschlag erfasst werden. Letzteres trifft aber aufgrund der Regelung des § 850 b ZPO, die auch in der Insolvenz gilt, auf private Krankenversicherungsverträge nicht zu. Die unter diese Bestimmung fallenden Ansprüche werden nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst.

Zu den in § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Bezügen zählen auch solche aus einer privaten Krankheitskostenversicherung, die auf Ersatz von Kosten für ärztliche Behandlungsmaßnahmen gerichtet sind. Kann jedoch der Verwalter die Forderungen des Schuldners aus dem Vertrag nicht zur Masse ziehen, so ist auch kein Raum für die Anwendung der Vorschrift des § 103 InsO. Sinn des Erfüllungswahlrechts ist aus Sicht des BGH, dass der Verwalter ggf. Vermögenswerte zur Masse ziehen oder andernfalls die Belastung der Masse mit Gegenforderungen vermeiden kann. Ein Massebezug ist deshalb zwingend, insolvenzfreie Schuldverhältnisse werden von ihr nicht erfasst. Auf die Erklärung des Verwalters kommt es daher nicht an.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Rechtsprechung zur bedingten Pfändbarkeit von Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen gem. § 850 b Abs. 2 ZPO und der insoweit gegebenen Anwendbarkeit von § 103 InsO (vgl. BGH, NZI 2010, 141).

Abgesehen davon, dass nur bei bedingt pfändbaren Ansprüchen eine Übertragung der Versicherung selbst auf den Verwalter nicht in Frage kommt, das Stammrecht vielmehr dem Schuldner erhalten bleiben muss, entspricht es -anders als bei einer Berufsunfähigkeitsrente- nicht der Billigkeit im Sinne von § 850 b Abs. 2 ZPO, dass Gläubiger des Schuldners auf zukünftige Erstattungsleistungen des Krankheitskostenversicherers zugreifen dürfen, die ausschließlich der Abdeckung neu entstandener tatsächlicher krankheitsbedingter Aufwendungen dienen.

Nichts anderes gilt, wenn es sich um eine Versicherung zu Gunsten der Ehefrau des Beklagten und seiner Kinder handelt, die bei Verfahrenseröffnung bereits anderweitig krankenversichert waren. Allein die Existenz eines weiteren Krankenversicherungsvertrags zu Gunsten des Versicherten kann es nicht rechtfertigen, dass der Verwalter des Versicherungsnehmers abweichend von obigen Erwägungen den Vertrag mit Wirkung für die Masse fortführen kann. Denn der Versicherte hätte keinen ausreichenden Schutz, wenn der Verwalter nach § 103 InsO Erfüllung wählen und dann die Erstattungsleistungen zur Masse ziehen könnte: Da die Versicherer im Falle der Mehrfachversicherung nach dem auch in der Krankenversicherung gem. § 194 Abs. 1 S. 1 VVG anwendbaren Vorschrift des § 78 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner haften, kann der Versicherungsnehmer oder der Versicherte die Leistung nur einmal verlangen und hätte somit auch gegen den anderen Versicherer keinen Anspruch mehr, wenn der Insolvenzverwalter den Erstattungsbetrag beim ersten Versicherer liquidiert hat.

Mit seiner Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Auffassung bestätigt, dass insolvenzfreie Schuldverhältnisse, mithin Rechtsgeschäfte, die sich auf das insolvenzfreie Vermögen beziehen oder Gegenstände des § 36 InsO betreffen, nicht dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO unterfallen.

Hiermit verbunden ist gleichzeitig, dass sich etwaige Prämienansprüche des Versicherers nicht gegen die Masse, sondern -als Neuverbindlichkeiten- gegen den Schuldner richten. Kann er diese nicht aus dem Pfändungs- bzw. insolvenzfreien Teil seines Einkommens zahlen, bleibt ihm nur die Möglichkeit, den Vertrag nach § 205 Abs. 2 VVG zu beenden.


Möglichkeiten der Verkürzung des Insolvenzverfahrens nach § 300 InsO

25.10.17 | Durch die zum 01.07.2014 in Kraft getretene Insolvenzrechtsreform hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 300 InsO neu gefasst, die den Schuldnern unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Verkürzung des Verfahrens zur Erteilung der Restschuldbefreiung auf bis zu drei Jahre ermöglichen soll.

Die neugefasste Vorschrift des § 300 InsO sieht ein vierstufiges Modell für die Verkürzung des Verfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung vor.

Gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO ist eine sofortige Erteilung der Restschuldbefreiung möglich, wenn kein Insolvenzgläubiger eine Forderung angemeldet oder der Schuldner alle Insolvenzgläubiger vollständig befriedigt und der Schuldner die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt hat. Hiermit ist u.a. die Deckung der Verfahrenskosten gemeint.

Eine Restschuldbefreiung nach drei Jahren sieht § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO vor, wenn der Schuldner mindestens 35 % der Forderungen der Insolvenzgläubiger bedienen kann. Auch dieser Verkürzungstatbestand hat die weitere Voraussetzung, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens und alle sonstigen Masseverbindlichkeiten gedeckt sind.

Eine Restschuldbefreiung nach fünf Jahren kommt gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO in Betracht, wenn die Kosten des Verfahrens gedeckt und die weiteren Masseverbindlichkeiten bereinigt sind. Eine Mindestbefriedigungsquote sieht dieser Tatbestand nicht vor.

Erfüllt der Schuldner keine der vorgenannten Voraussetzungen, bleibt es wie bisher bei einer sechsjährigen Verfahrensdauer.

Gemäß Artikel 103 EGInsO gilt § 300 InsO mit seinen neuen Verkürzungstatbeständen nur für solche Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren natürlicher Personen, bei denen der Insolvenzantrag am oder nach dem 01.07.2014 gestellt wurde. Eine Anwendung der Verkürzungstatbestände auf Altverfahren ist nicht vorgesehen. Bei diesen Verfahren bleibt es bei einer sechsjährigen Laufzeit ohne gesonderte Verkürzungsmöglichkeit.