Seite nicht gefunden – Dr. Hillers – Dr. Streit – Dr. Behrends | Rechtsanwälte in Oldenburg https://www.hsc-ol.de Handelsrecht, Insolvenzrecht, Markenrecht, Medienrecht, Steuerstrafrecht, Vertragsrecht Thu, 23 Jun 2022 09:31:01 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.9.9 https://www.hsc-ol.de/wp-content/uploads/2017/11/signet-hillers-streit-behrends-hengst-150x150.png Seite nicht gefunden – Dr. Hillers – Dr. Streit – Dr. Behrends | Rechtsanwälte in Oldenburg https://www.hsc-ol.de 32 32 Fehlende Compliance-Struktur: Ein erhebliches Haftungspotenzial für den Geschäftsführer/die Geschäftsführung https://www.hsc-ol.de/fehlende-compliance-struktur-ein-erhebliches-haftungspotenzial-fuer-den-geschaeftsfuehrer-die-geschaeftsfuehrung/ Thu, 23 Jun 2022 09:31:01 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4690 23.06.2022 | Die Compliance, also das rechtmäßige Verhalten entsprechend den geltenden Rechtsnormen, rückt immer näher in den zentralen Bereich der Geschäftsführerhaftung. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in diesem Zusammenhang in einer Entscheidung vom 30.03.2022 ein signifikantes und richtungsweisendes Urteil mit der Bejahung einer Geschäftsführerhaftung gesprochen. Aufgrund einer „lediglich“ defizitären Organisationsstruktur des Geschäftsführers einer GmbH & Co. KG verurteilte ihn das Oberlandesgericht rechtskräftig zur Zahlung eines nicht gerade unerheblichen Betrages in Höhe von 788.933,31 €. Dieser Betrag stellte den Schaden der Gesellschaft dar, welcher durch einen veruntreuenden Mitarbeiter verursacht wurde. Für diesen Schaden, den definitiv ein Mitarbeiter verursacht hatte, wurde der Geschäftsführer zur finalen Verantwortung gezogen, und zwar strafrechtlich wie insbesondere zivilrechtlich! Dem Geschäftsführer wurde zum Vorwurf gemacht, dass er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, wie sie in § 43 Abs. 2 GmbHG vorgesehen ist, nicht eingehalten hatte. Der Schaden wäre nach Auffassung des Gerichts mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten, wenn der Geschäftsführer organisatorische Strukturen zur vorbeugenden Gefahrenabwehr installiert hätte.

Die gesellschaftsrechtliche Sorgfaltspflicht verdichtet sich für den Geschäftsführer zu einer „Unternehmensorganisationspflicht“. In diesem Licht kommt die Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung der Unternehmensorganisationspflicht dann bereits gegeben ist, „wenn durch unzureichende Organisation, Anleitung bzw. Kontrolle den Mitarbeitern der Gesellschaft Straftaten oder sonstige Fehlhandlungen ermöglicht oder auch nur erleichtert werden.“

Im Kern geht es deshalb um die Verpflichtung der Geschäftsführung, ein Compliance Management im Unternehmen einzurichten, um Risiken und Schäden für das Unternehmen möglichst im Vorfeld auszuschließen, zumindest jedoch zu reduzieren.

Es geht somit um eine Einstandspflicht der Geschäftsführung für das Fehlverhalten von Mitarbeitern, welches durch ein Überwachungssystem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können.

Sicherlich kann mit zunehmender Größe eines Unternehmens der Geschäftsführer selbst nicht das Überwachungssystem in Person mit Leben erfüllen. Insofern ist es der Geschäftsführung erlaubt, Überwachungsaufgaben auf einzelne Mitarbeiter zu delegieren. In einem solchen Fall konzentriert sich die Überwachungsaufgabe auf die Kontrolle und Überwachung der Personen, auf die Überwachungsfunktionen und Aufgaben delegiert wurden.

Dies formuliert das Oberlandesgericht Nürnberg einprägsam mit der Begrifflichkeit „Überwachung der Überwacher“. Ungeachtet dessen bleibt es allerdings bei der Oberaufsicht der Geschäftsführung im Unternehmen.

Die rechtskräftige Entscheidung des OLG Nürnberg reflektiert die mittlerweile allgemeine Auffassung, dass ein Geschäftsführer nur dann seinen Sorgfaltspflichten nachkommt, wenn er sämtliche ihm mögliche Vorkehrungen trifft, die vermeiden helfen, dass das Unternehmen zu Schaden kommt, insbesondere durch betriebsinterne Unregelmäßigkeiten oder Fehlverhalten von Mitarbeitern. Kommt er diesem Postulat nicht nach, so haftet der Geschäftsführer in seiner Person mit seinem gesamten Vermögen für den Schaden, welcher bei der von ihm geleiteten Gesellschaft eingetretenen ist. Ein Geschäftsführer ist deshalb gut beraten, prophylaktische und vorbeugende Überlegungen anzustellen, verbunden mit der Einführung kontrollierender Organisationsstrukturen, und diese anwaltlich begleiten zu lassen.

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Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Trotz vorheriger Androhung einer fristlosen Kündigung wirksam! https://www.hsc-ol.de/aufhebungsvertrag-zwischen-arbeitgeber-und-arbeitnehmer-trotz-vorheriger-androhung-einer-fristlosen-kuendigung-wirksam/ Wed, 15 Jun 2022 09:41:56 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4661 15.06.2022 | Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 24.02.2022 (6 AZR 333/21) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen für das rechtmäßige Verhalten eines Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Angebot für den Abschluss eines Aufhebungsvertrages.

Ausgangspunkt war der Vorwurf gegenüber einer Mitarbeiterin, Einkaufspreise für Waren in der EDV des Arbeitgebers unrechtmäßig reduziert zu haben.

In einem vom Arbeitgeber anberaumten Termin, dessen Inhalt der Mitarbeiterin angekündigt worden war, unterbreitete der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Verbunden war dies mit dem Hinweis darauf, dass bei fehlender Bereitschaft die Mitarbeiterin mit einer fristlosen Kündigung und einer Strafanzeige rechnen müsse. Nach ca. 10 Minuten Schweigen unter den Anwesenden in dem Termin hat die Mitarbeiterin den Aufhebungsvertrag dann unterzeichnet und 7 Tage später wegen widerrechtlicher Drohung angefochten sowie auf Feststellung der Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages geklagt.

Das BAG hat in letzter Instanz die Klage abgewiesen. Bei einer Gesamtschau ist das BAG zu dem Ergebnis gelangt, dass weder eine widerrechtliche Drohung noch ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns bejaht werden könne.

Das BAG verweist zutreffend darauf hin, dass die Drohung mit einer fristlosen Kündigung nur dann widerrechtlich sein kann, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen dürfte. Bei dem hier gegebenen Fall dürfte ein Arbeitgeber jedoch bei verständiger Würdigung eine fristlose Kündigung berechtigterweise in Erwägung ziehen. Gleiches gilt im Hinblick auf die Androhung einer Strafanzeige. Auch bei einer solchen ist nach der Rechtsprechung des BAG darauf abzustellen, ob ein verständiger Arbeitgeber die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung gezogen hätte.

Beide Voraussetzungen hat das BAG hier bejaht, so dass die Arbeitnehmerin für sich nicht in Anspruch nehmen konnte, widerrechtlich durch eine Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden zu sein.

Schließlich hat das BAG auch keinen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns gesehen. Das Gebot des fairen Verhandelns bezieht sich nicht auf den Inhalt des Vertrages, sondern auf den Weg zum Vertragsabschluss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. In diesem Zusammenhang hat das BAG eine fehlende Fairness dann angenommen, „wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht“. Dies ist allerdings nur dann gegeben, wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer kreuzverhörähnlich und von Außenkontakten isoliert einer Situation ausgesetzt ist, bis er dann endlich aufgrund dieser äußeren Umstände den Aufhebungsvertrag abschließt. Solange dieses nicht gegeben ist, hat ein Arbeitnehmer die freie Entscheidung, ein Angebot anzunehmen oder nicht. Solange ihm diese Freiheit gelassen wird, wie es im vorliegenden Fall festgestellt wurde, ist das Gebot des fairen Verhandelns nicht verletzt.

In dieser Entscheidung hat das BAG deutlich gemacht, dass eine Kündigungsschutzklage nicht bereits dann Erfolg hat, wenn der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer aus verständlichen Gründen einen Aufhebungsvertrag anbietet, der nur sofort angenommen werden kann, da ansonsten nachvollziehbar und gerechtfertigt mit einer Strafanzeige und einer außerordentlichen Kündigung gerechnet werden müsse.

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GmbH- Geschäftsführer: Haftung und Informationspflichten gegenüber der Gesellschaft https://www.hsc-ol.de/gmbh-geschaeftsfuehrer-haftung-und-informationspflichten-gegenueber-der-gesellschaft/ Thu, 11 Nov 2021 11:48:37 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4640 11.11.2021 | Die zentrale Haftungsvorschrift für die GmbH-Geschäftsführung ist in § 43 GmbHG verankert. Danach haftet ein Geschäftsführer für den Fall, dass er in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht umsetzt.

In einer neuerlichen Entscheidung vom 22.06.2021 hatte der Bundesgerichtshof wieder einmal Gelegenheit zu einem wesentlichen Aspekt der Geschäftsführerhaftung Position zu beziehen. Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob der beklagte Geschäftsführer an der Überleitung von Vertragsverhältnissen im Konkurrenzunternehmen aktiv mitgewirkt hat oder nicht.

Zunächst einmal wurde vom Bundesgerichtshof die bisherige Rechtsprechung zur Frage   bestätigt, wer in einem Haftpflichtprozess was darzulegen und zu beweisen hat. Eine für den Geschäftsführer in der Tat folgenschwere Rechtslage. Denn nicht die Gesellschaft, sondern der Geschäftsführer hat darzulegen und zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltsplichten als ordentlicher Kaufmann nachgekommen ist, ihn kein Verschulden trifft oder dass der geltend gemachte Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre. Die anspruchstellende Gesellschaft ist hingegen in einer komfortablen Position; sie hat lediglich eine Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und inwieweit der Gesellschaft durch ein Verhalten des Geschäftsführers in seinem Pflichtenkreis ein Schaden entstanden ist. Nicht mehr und nicht weniger.

Eine weitere Konsequenz ergibt sich für jeden Geschäftsführer auch für die Zeit nach seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführerposition. Denn der Geschäftsführer einer GmbH ist auch dann gegenüber der Gesellschaft zur Auskunftserteilung für Schadensfälle verpflichtet, wenn er schon lange als Geschäftsführer ausgeschieden ist. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Nebenpflicht aus seiner vorherigen Geschäftsführerposition. Allerdings hängt die Informationspflicht vom Informationsbedürfnis der Gesellschaft ab, was nur anhand des konkreten Einzelfalles beurteilt werden kann.

Nun in diesem Zusammenhang zu einem wesentlichen Kernsatz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes: Nach der aktuellen Entscheidung wird die Auskunftspflicht des Geschäftsführers nicht einmal dadurch eingeschränkt, dass der Geschäftsführer mit der verlangten Auskunft ggfs. sogar eine Pflichtverletzung in seiner Person bestätigen würde. Dies unterscheidet einen Zivilprozess von einem Strafverfahren. Denn der Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen, gilt nur im Strafprozess, nicht hingegen in einem Zivilprozess, hier einem Schadensersatzprozess gegen den Geschäftsführer.

Damit ist der Geschäftsführer in einer Zwickmühle: Denn wenn er sich wahrheitsgemäß den Fragen der Gesellschaft stellt, kann es passieren, dass er mit seinen Antworten ein Anerkenntnis seiner Pflichtverletzung abgibt und damit einen Schadensersatzanspruch besiegelt. Antworten sollten deshalb stets von einem Rechtsbeistand begleitet werden – keine Garantie, aber die Möglichkeit der Reduzierung von sprachlichen Missverständnissen.

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Künstliche Intelligenz: EU-Kommission erarbeitet Rechtsrahmen https://www.hsc-ol.de/kuenstliche-intelligenz-eu-kommission-erarbeitet-rechtsrahmen/ Wed, 25 Aug 2021 11:32:50 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4636 25.08.2021 | Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich rasant. Die KI bietet enorme Chancen in vielen Bereichen, etwa für eine verbesserte Gesundheitsversorgung, umweltfreundlichere Verkehrsgestaltung oder eine nachhaltigere Energieversorgung. Wie stets birgt der technologische Fortschritt allerdings neben den Chancen auch neue Risiken.

Die EU-Kommission hat nun einen Vorschlag für eine Verordnung vorgelegt, welche die Sicherheit der Nutzer gewährleisten soll und zugleich das Ziel verfolgt, das Vertrauen der Menschen in die KI zu stärken und die Vorteile der solcher Software-Systeme besser nutzbar zu machen. Wichtige Teile dieses Vorschlags sollen nachfolgend dargestellt werden:

1. Die Risikoeinteilung
Zentraler Bestandteil des Entwurfs ist die Einteilung der KI in verschiedene Risikogruppen. Die Rechtmäßigkeit eines KI-Systems soll davon abhängen, welches Risiko von der KI ausgeht:

a) Unannehmbares Risiko:
Wird ein KI-System als klare Bedrohung für die Sicherheit, die Lebensgrundlagen oder die Rechte der Menschen eingestuft, liegt ein „unannehmbares Risiko“ vor. Solche Systeme sollen einem Verbot unterliegen.

Hierzu zählen z.B. Systeme, die mit unterschwelligen Beeinflussungen außerhalb des Bewusstseins arbeiten, um das Verhalten einer Person so zu beeinflussen, dass dies zu psychischen oder physischen Schäden führen kann. Ebenso gehören hierzu Systeme, welche Behörden eine Bewertung des sozialen Verhaltens („Social Scoring“) ermöglichen. Auch die Verwendung biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme („Gesichtserkennung“) in öffentlich zugänglichen Räumen zum Zwecke der Strafverfolgung zählt hierzu.

b) Hohes Risiko:
Als System mit „hohem Risiko“ gilt KI, die in bestimmten Bereichen eingesetzt wird, welche in der Verordnung genauer definiert sind. Zu diesen Bereichen zählen beispielsweise kritische Infrastrukturen (etwa Verkehr), Schul- oder Berufsausbildung (wenn der Zugang zu Bildung und zum Berufsleben behindert werden könnte), bestimmte Bereiche des Personalmanagements (z.B. bei automatisierter Auswertung von Lebensläufen bei Bewerbungsverfahren), bestimmte Dienstleistungen wie die Bewertung der Kreditwürdigkeit, oder der Bereich der Rechtspflege und demokratische Prozesse.

Solche Hochrisiko-Systeme unterliegen strengen Vorgaben, die in der Verordnung näher beschrieben werden. Hierzu zählt die Einführung eines Risikomanagement-Systems, das die bekannten und vorhersehbaren Risiken ermittelt und analysiert. Auch müssen die Datensätze, welche zu Trainings-, Validierungs- und Testzwecken verwendet werden, hohen Qualitätsanforderungen entsprechen, um das Risiko struktureller Diskriminierungen zu reduzieren. Zudem sind ausführliche Dokumentations- und Informationspflichten vorgesehen. Nicht zuletzt müssen solche Hochrisiko-Systeme eine angemessene menschliche Aufsicht vorsehen, welche die Möglichkeit haben muss, das System notfalls zu stoppen.

c) Geringes Risiko:
Als KI-Systeme mit geringem Risiko sind beispielsweise Chatbots anzusehen. Beim Einsatz solcher Systeme müssen die Nutzer darauf hingewiesen werden, dass sie es mit einer Künstlichen Intelligenz zu tun haben. Insbesondere sollen die Nutzer darüber informiert werden, wenn sie einem System zur Emotionserkennung oder zur biometrischen Kategorisierung ausgesetzt sind.

d) Minimales Risiko:
Systeme mit minimalem Risiko (z.B. bestimmte Spiele oder Spam-Filter) unterliegen nur den allgemeinen Gesetzen. Die EU-Kommission schlägt insoweit allerdings die freiwillige Einführung von Verhaltenskodizes vor.

2. Weitere Regelungen; Inkraft-Treten
Neben dieser Einteilung in verschiedene Risikogruppen enthält der Entwurf nähere Regelungen dazu, welche Pflichten die Anbieter und Hersteller von KI sowie Einführer, Händler und sonstige Dritte treffen und welche Bußgelder bzw. Sanktionen im Fallen von Verstößen gegen die geplante Verordnung drohen. Je nach Verstoß sind Bußgelder von bis zu 30 Mio. Euro oder 6% des gesamten weltweiten Vorjahresumsatzes vorgesehen.

Ferner sieht der Entwurf Regelungen zur Innovationsförderung vor, die vor dem Hintergrund der zahlreichen Vorteile zu sehen sind, welche KI bieten kann. So wird etwa die Einrichtung sogenannter Reallabore vorgesehen, wodurch gerade auch Kleinanbieter und Start-Ups die Möglichkeit erhalten sollen, in einem rechtssicheren Umfeld Versuchs- und Erprobungsumgebungen zu nutzen.

Der Entwurf der EU-Kommission muss nun vom Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten angenommen werden. Dieses Verfahren wird voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen.

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IT-Recht: Mehr Digitalisierung in der Pflege https://www.hsc-ol.de/it-recht-mehr-digitalisierung-in-der-pflege/ Mon, 26 Jul 2021 15:18:47 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4627 26.07.2021 | Die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Pflege werden ausgebaut. Mit dem neuen Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege sollen mehr digitale Helfer für Pflegebedürftige eingesetzt werden können, die Telemedizin soll breiter aufgestellt werden und es soll ein Ausbau der digitalen Infrastruktur erfolgen.

In Zukunft können digitale Anwendungen wie etwa Apps zur Sturzprävention oder zum Gedächtnistraining in der Pflege in die Regelversorgung aufgenommen werden. Zudem soll der Austausch mit Angehörigen oder Pflegefachkräften durch digitale Angebote erleichtert werden. Auch soll es Versicherten künftig möglich sein, ihre Daten in der elektronischen Patientenakte zu speichern.

Nach Angaben der Bundesregierung hat sich gerade auch in der Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist.

Künftig können auch Hebammen und Heilmittelerbringer Videosprechstunden anbieten und telemedizinische Leistungen erbringen und diese Leistungen abrechnen. Auch das sogenannte e-Rezept soll künftig einfacher nutzbar sein. Das Gesetz sieht ferner die Einrichtung einer Patientenkurzakte vor, mit der die Patienten ihren Ärzten auch von unterwegs Informationen zugänglich machen können.

Außerdem findet das Gesundheitsportal www.gesund.bund.de nun eine gesetzliche Grundlage. Über dieses Portal will das Bundesgesundheitsministerium verlässliche und unabhängige Informationen zum Thema Gesundheit zur Verfügung stellen und damit das Verständnis für medizinische Angebote zu unterstützen.

Das Gesetz wurde inzwischen vom Bundestag verabschiedet und vom Bundesrat gebilligt.

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Aussetzung der Verstrickungswirkung ohne Aufhebung der Pfändung https://www.hsc-ol.de/aussetzung-der-verstrickungswirkung-ohne-aufhebung-der-pfaendung/ Thu, 01 Jul 2021 09:42:34 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4621 01.07.2021 | Der Rechtsbegriff „Verstrickung“ bezeichnet im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Beschlagnahme einer beweglichen oder unbeweglichen Sache (sog. Pfändung), einer Forderung oder eines anderen Vermögensrechts durch staatliche Organe, wie den Gerichtsvollzieher, den Vollziehungsbeamten oder das Vollstreckungsgericht. Beschlagnahme meint im Rahmen der Sachpfändungen entweder die Inbesitznahme der Sache, ihr Fortschaffen oder ihre Kennzeichnung und die entsprechende Information des Schuldners. Die Forderungspfändung bezieht sich üblicherweise auf Geldforderungen (Lohnpfändung, Kontopfändung). Mit dieser wird die Forderung des Schuldners beschlagnahmt. Der Drittschuldner darf dann nicht mehr an den Schuldner leisten und die Forderung wird dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen.

Während eines Insolvenzverfahrens kann die Verstrickung einer gepfändeten Forderung dadurch beseitigt werden, dass das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 19.11.2020 entschieden (Az.: IX ZB 14/20).

Der vorgenannten Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Jahr 2017 pfändete der Pfändungsgläubiger Ansprüche des Schuldners gegen die kontoführende Bank. Auf einen Eigenantrag des Schuldners wurde im Kalenderjahr 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter verlangte die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Das Insolvenzgericht hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben und die Pfändung für unzulässig erklärt. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Insolvenzgerichts dahingehend abgeändert, dass die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einschließlich der Verstrickung bis zur Aufhebung des Verfahrens ausgesetzt werde. Die auf Wiederherstellung des Beschlusses des Insolvenzgerichts gerichtete Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gemäß § 850k ZPO ist nicht in jeder Hinsicht unpfändbar. Die Vorschrift des § 850k ZPO gewährt dem Kontoinhaber einen nicht von einem Antrag abhängigen Pfändungsschutz. In Höhe eines monatlichen Freibetrages kann der Pfändungsschuldner bis zum Ende des Kalendermonats verfügen. Soweit er diesen Betrag im jeweiligen Kalendermonat nicht ausgeschöpft hat, bleibt das verbleibende Guthaben im Folgemonat zusätzlich zum geschützten Guthaben dieses Monats pfändungsfrei. Pfändbar ist der nicht verbrauchte Übertrag erst im zweiten auf die Gutschrift folgenden Monat, wobei Verfügungen des Schuldners jeweils auf das älteste Guthaben anzurechnen sind.

Hier geht es um die Überträge des geschützten Guthabens auf den übernächsten Monat, bei Vorliegen einer Kontoverbindung.

Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind Zwangsvollstreckungen einzelner Insolvenzgläubiger in die Insolvenzmasse aufgrund des insolvenzrechtlichen Pfändungsverbotes unzulässig. Ein Pfändungspfandrecht oder ein materiell-rechtliches Verwertungsrecht an der jeweiligen Forderung kann nicht mehr entstehen.

Ein Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot hindert jedoch nicht die öffentlich-rechtliche Verstrickung und ist daher von dem kontoführenden Kreditinstitut als sogenanntem Drittschuldner zu beachten. Die öffentlich-rechtliche Verstrickung dauert auch bei einer unter Verstoß gegen das Vollstreckungsverbot vorgenommenen Vollstreckungshandlung solange an, bis ihre förmliche Aufhebung erfolgt.

Die Verstrickung einer gepfändeten Forderung kann während des Insolvenzverfahrens dadurch beseitigt werden, dass der Pfändungsgläubiger eine entsprechende Erklärung gegenüber der Bank abgibt oder, falls er hierzu nicht bereit ist, das zuständige Vollstreckungsorgan die Vollziehung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aussetzt, ohne die Pfändung insgesamt aufzuheben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist mehr als eine Aussetzung der Zwangsvollstreckung für die Durchführung des Insolvenzverfahrens nicht erforderlich, da eine vollständige Aufhebung der Pfändung den Pfändungsgläubiger in seiner geschützten Rechtsposition beeinträchtigen würde. Dabei gilt diese Rechtsprechung nur für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse im Insolvenzverfahren.

Wenn dem Schuldner anlässlich des von ihm geführten Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung gewährt wird, ist die der Pfändung zugrunde liegende Forderung des Pfändungsgläubigers zwar nicht mehr durchsetzbar. Solange aber nicht feststeht, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt werden wird, besteht ein berechtigtes Interesse des Pfändungsgläubigers am rangwahrenden Fortbestand der Pfändung.

Vgl. BGH, Beschluss vom 19.11.2020, Az.: IX ZB 14/20

 

 

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Insolvenzrechtliche Neuerungen für selbstständige Schuldner https://www.hsc-ol.de/insolvenzrechtliche-neuerungen-fuer-selbststaendige-schuldner/ Mon, 28 Jun 2021 11:15:12 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4549 28.06.2021 | Für selbstständig tätige Schuldner wurden mit den §§ 35 Abs. 3 und 295 a Abs. 2 InsO neue Vorschriften eingeführt, die zum 31.12.2020 in Kraft getreten sind.

Die Vorschrift des § 35 Abs. 1 InsO sieht vor, dass das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und dass er während der Zeit des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse), erfasst.

Übt der Schuldner eines Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit aus, fallen seine gesamten Einkünfte als sog. Neuerwerb somit in die Insolvenzmasse, ohne dass ein Abzug für beruflich bedingte Ausgaben vom Gesetzgeber vorgesehen wäre.

Der Schuldner kann aber beim Gericht beantragen, das ihm von seinen Einkünften als pfandfreier Betrag für seinen Unterhaltsbedarf so viel belassen wird, wie ihm verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeitslohn bestünde.

Im Gegenzug stellen die Kosten der selbständigen Tätigkeit Masseverbindlichkeiten dar. Hierunter fallen zum Beispiel die vom Schuldner zu zahlende Löhne und Gehälter oder Steuerverbindlichkeiten ab Verfahrenseröffnung. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit durch den Schuldner kann daher für die Insolvenzmasse ein erhebliches Risiko darstellen.

Diesem Risiko kann der Insolvenzverwalter durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit begegnen. Bittet der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter nunmehr gegenüber dem Schuldner zu erklären.

Die Freigabe erstreckt sich auf den Neuerwerb des Schuldners aus der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit. Umsätze die der Schuldner nach erfolgter Freigabe erzielt, sind nicht mehr massebefangen und müssen vom Schuldner daher nicht abgeführt werden.

Die Freigabe erfasst auch betriebliche Dauerschuldverhältnis wie zum Beispiel Arbeits-, Miet- und Versorgungsverträge.

Nicht von der Freigabe umfasst ist das vorhandene Betriebsvermögen, wie zum Beispiel Werkzeuge und Maschinen. Diese können jedoch vollstreckungsrechtlich unpfändbare Gegenstände darstellen.

Die aufgrund der selbständigen Tätigkeit nach der Wirksamkeit der Freigabe entstandenen Neuverbindlichkeiten sind nicht mehr aus der Masse, sondern allein aus dem Neuerwerb des Schuldners zu bestreiten.

Für Altgläubiger greift hingegen das insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot, so dass der selbständige Schuldner vor weiteren Vollstreckungsversuchen seiner bisherigen Gläubiger geschützt ist.

Eine Freigabeerklärung im Hinblick auf die selbständige Tätigkeit des Schuldners hat daher weitreichende Wirkungen für die Insolvenzmasse, den Schuldner und dessen Vertragspartner, welche grundsätzlich ab dem Zugang der Erklärung beim Schuldner eintreten.

Als Neuregelung sieht die Vorschrift des § 35 Abs. 3 InsO nunmehr die Pflicht des Insolvenzverwalters vor, sich zu einer Bitte des Schuldners um Freigabe seiner selbstständigen Tätigkeit innerhalb eines festgelegten Zeitraums zu erklären.

Für den Schuldner besteht die Pflicht, den Insolvenzverwalter über die Ausübung, einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Diese Informationspflicht besteht uneingeschränkt. Neu ist jedoch die Verpflichtung des Insolvenzverwalters sich unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen des Schuldners um die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit zu erklären.

Die Neuregelung gibt dem Schuldner somit notfalls auch einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Insolvenzverwalter auf Abgabe einer Erklärung im Hinblick auf die Fortführung der selbständigen Tätigkeit.

Wird der Insolvenzverwalter vom Schuldner zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert und kann oder möchte sich der Verwalter hierzu noch nicht endgültig erklären, wird er die Freigabe zunächst ausdrücklich verweigern und diese Entscheidung erforderlichenfalls später revidieren.

Nach Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit obliegt es dem Schuldner die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an die Insolvenzmasse so zu stellen, als wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wären (§ 290 a InsO).

Hieraus resultierende Zahlungen sind kalenderjährlich bis zum 31. Januar des Folgejahres zu leisten. Diese Regelung ist ebenfalls neu. Bislang war es dem Schuldner möglich, die von ihm zu leistenden Zahlungen spätestens bis zum Ende des Verfahrens an die Insolvenzmasse abzuführen.

Eine Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter über eine beabsichtigte Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit oder aber einer Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit und die in diesem Zusammenhang gegebenenfalls an die Insolvenzmasse zu leistenden Zahlungen erscheint gleichwohl sinnvoll und geboten.

 

 

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E-Commerce: Händler müssen ihre Angebote auf Amazon regelmäßig überprüfen https://www.hsc-ol.de/e-commerce-haendler-muessen-ihre-angebote-auf-amazon-regelmaessig-ueberpruefen/ Fri, 25 Jun 2021 16:36:50 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4585 25.06.2021 | Amazon-Händler müssen regelmäßig kontrollieren, ob die Produktbilder, welche begleitend zu ihrem Angebot eingeblendet werden, tatsächlich das angebotene Produkt mit seinen entsprechenden Eigenschaften wiedergeben. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden (Beschluss vom 18.03.2021 – 6 W 8/18).

Hintergrund für diese Entscheidung ist der Umstand, dass Amazon einen Algorithmus einsetzt, welcher dafür sorgt, dass Produktangebote automatisch mit hinterlegten Bildern verknüpft werden. Dies führt bisweilen dazu, dass die angezeigten Bilder nicht exakt zu dem jeweiligen Angebot passen. Dementsprechend werden Warenabbildungen eines Händlers teilweise den Angeboten anderer Händler zugeordnet, ohne dass Bild und angebotene Ware übereinstimmen. Solche falschen Verknüpfungen können als irreführende Werbung unzulässig sein und wettbewerbsrechtliche Abmahnungen nach sich ziehen.

Das OLG Frankfurt entschied nun, dass Händler ihre Angebote auf Amazon regelmäßig dahingehend überprüfen müssen, ob das Angebot mit der Bebilderung zusammenpasst. Die Händler können sich nach Ansicht des OLG auch nicht darauf zurückziehen, nichts von dem Einsatz dieses Algorithmus gewusst zu haben.

Mit dieser Entscheidung werden erhöhte Prüfpflichten an Amazon-Händler gestellt. Unklar bliebt allerdings, was genau unter dem Begriff „regelmäßig“ zu verstehen ist.

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Internationale Vertragsgestaltung https://www.hsc-ol.de/internationale-vertragsgestaltung/ Wed, 23 Jun 2021 07:53:31 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4542 Der Im- und Export ist eine fundamentale Säule für unser Wirtschaftsleben. Dies bedeutet notwendiger Weise den Abschluss von entsprechenden, grenzüberschreitenden Verträgen. Allerdings wird der Vertragsgestaltung gerade von klein- und mittelständischen Unternehmen nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen, was im Einzelfall fatale Auswirkungen haben kann.

Die Ursache hierfür liegt häufig darin, dass in den Kategorien des deutschen BGB und HGB gedacht wird, obwohl dies in der überwiegenden Anzahl eine schlichte Fehlvorstellung ist. Kommt es zu einem Konflikt, stellen sich diverse grundsätzlich und bedeutungsvolle Fragen: Wurden die eigenen AGB wirksam vereinbart? Gilt das deutsche Zivilrecht oder doch – wie in fast den meisten Fällen – das UN-Kaufrecht („CISG“). Ist klar geregelt wo eine rechtliche Auseinandersetzung stattfinden soll? Müssen die staatlichen Gerichte angerufen werden oder gibt es Alternativen? Ist klar differenziert worden zwischen dem weitestgehend bekannten Schuldrecht und den dinglichen Besonderheiten des Sachenrechts, was z.B den Eigentumsvorbehalt betrifft?

Es ist generell festzustellen, dass gerade internationale Verträge vornehmlich von kaufmännischen Aspekten geprägt sind – und das zu Lasten einer klaren vertraglichen Rechtslage.

Geht es also um zumindest ökonomische bedeutsame grenzüberschreitende Verträge, sollten diese in jedem Fall anwaltlich beurteilt und wenn möglich bei der Erstellung und Verhandlung anwaltlich begleitet werden – ansonsten können sich schwerwiegende Folgen ergeben.

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Insolvenzantragspflicht ja oder nein ? https://www.hsc-ol.de/deinsolvenzantragspflicht-ja-oder-nein/ Wed, 03 Mar 2021 08:12:57 +0000 https://www.hsc-ol.de/?p=4534 03.03.2021 | Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht hat für den oder die verantwortlich Handelnden weitreichende Konsequenzen.

Nach § 15a Abs. 4 InsO wird mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer entgegen der Insolvenzantragspflicht nicht oder nicht rechtzeitig oder aber nicht richtig einen Eröffnungsantrag stellt. Handelt der Täter fahrlässig, so ist dies mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe sanktioniert.

Die Verurteilung wegen des Vorwurfes der Insolvenzverschleppung hat neben der strafrechtlichen Sanktion weiterreichende Auswirkungen, da eine Person, die wegen einer Insolvenzverschleppung verurteilt wurde nicht oder nicht mehr Geschäftsführer sein kann. Dieser Ausschluss von der Geschäftsführung gilt für die Dauer von fünf Jahren seit Rechtskraft eines entsprechenden Urteils.

Nach § 15a Abs. 1 InsO haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler, wenn eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet wird, ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die GmbH & Co. KG.

Als Reaktion auf die anhaltende Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft erfolgte mit Wirkung ab dem 01.03.2020 die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Hiernach wurde die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages bis zum 30.09.2020 ausgesetzt.

Die Aussetzung von der Insolvenzantragspflicht galt anfänglich nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Dabei wurde durch den Gesetzgeber die gesetzliche Vermutung aufgestellt, dass sofern der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Mit dem Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 25.09.2020 (BGBl 2020 I 2016) erfolgte die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht allerdings nur für den Insolvenzgrund der Überschuldung bis zum 31.12.2020. Somit bestand wegen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit ab dem 01.10.2020 wieder in vollem Umfang die Insolvenzantragspflicht.

Mit dem am 01.01.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG ist eine weitere Anpassung der Insolvenzordnung und dem COVInsAG erfolgt. Nach § 1 Abs. 3 COVInsAG ist vom 01. Januar 2021 bis zum 30 April 2021 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages nach Maßgabe des Absatzes 1 für die Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 01. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 einen Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistung im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, gilt Satz 1 auch für Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen.

Dies gilt nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht und die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.

Unter den vorstehend genannten Voraussetzungen gilt die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nunmehr wieder für den Tatbestand der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit.

Trotz der vorstehend genannten Regelung kann nicht von einer generellen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ausgegangen werden, da die gesetzgeberisch aufgestellten Tatbestandsmerkmale den tatsächlichen Anwendungsbereich erheblich einschränken.

Die weit überwiegende Zahl der Insolvenzanträge wird wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt. Überschuldung und die drohende Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund spielen bei der Antragstellung in der Insolvenzstatistik allenfalls eine untergeordnete Rolle.

Ob und in welcher Form die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht weitergeht, ist vor dem Hintergrund des Pandemiegeschehens derzeit noch nicht absehbar.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht mit dem 31.12.2020 grundsätzlich auch für den Insolvenzgrund der Überschuldung ausgelaufen ist.

Die enge, neugeschaffene Ausnahme nach § 1 Abs. 3 COVInsAG soll im Kern lediglich verhindern, dass allein die Dauer der bürokratischen Abwicklung der beschlossenen Hilfsprogramme zur Stellung eines Insolvenzantrages zwingt.

Die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht betrifft daher nur eine kleine Gruppe von Unternehmen. Sofern eine falsche Einschätzung der aktuellen Rechtslage erfolgt, kann dies für den Geschäftsführer mit erheblichen Konsequenzen in Form der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und der zivilrechtlichen persönlichen Haftung einhergehen.

Daher ist es für den Geschäftsführer einer juristischen Person weiterhin erforderlich und alternativlos eine mögliche Insolvenzantragspflicht im Blick zu behalten.

 

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