März 2014

Öffentliche Bekanntmachungen in Insolvenzsachen im Internet

31.03.14 | Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 10.10.2013 zu dem gerichtlichen Aktenzeichen IX ZB 229/11 zu der Frage Stellung genommen welche Anforderungen an die öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzsachen im Internet zu stellen sind.

Ausgangspunkt der Entscheidung war ein Insolvenzverfahren, in welchem anlässlich der erfolgten Veröffentlichung des Beschlusses über die Durchführung einer Anhörung der Gläubiger nach § 197 Abs. 2 und Abs. 5 InsO lediglich der Nachnahme des Schuldners veröffentlicht wurde.

Die Leitsätze der zitierten Entscheidung lauten:

1. Bei der öffentlichen Bekanntmachung von Beschlüssen des Insolvenzgerichts im Internet auf der länderübergreifenden Justizplattform www.insolvenzbekannt-machungen.de ist der zu veröffentlichende Beschluss des Insolvenzgerichts einschließlich des Vornamens des Schuldners einzugeben.

2. Die fehlende Angabe des Vornamens des Schuldners kann dazu führen, dass die Veröffentlichung keine Wirkungen entfaltet, weil die notwendige Unterscheidungskraft nicht gewahrt ist; die Angabe des Vornamens wird durch die Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzsachen im Internet nicht ausgeschlossen.

3. Einem Gläubiger kann entsprechend den Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellungnahme zu dem Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung zu gewähren sein, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass er den Beschluss über die Ingangsetzung der Anhörungsfrist nicht entdeckt hat, weil er aufgrund der unzureichenden Erläuterungen auf der Suchmaske des länderübergreifenden Justizportals nicht bemerkt hat, dass er den Vornamen des Schuldners nicht eingeben darf, um vollständige Suchergebnisse zu erhalten.

4. Mit der Wiedereinsetzung des Gläubigers in die Frist zur Geltendmachung von Versagungsgründen wird die Rechtzeitigkeit seines Versagungsantrags fingiert; die auf das Fehlen von Versagungsanträgen gestützte Erteilung der Restschuldbefreiung entfällt, ohne dass es der förmlichen Aufhebung dieses Beschlusses bedarf.

Nach § 1 Satz 1 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren im Internet vom 12.02.2002 (BGBl. I, 677) zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.04.2007 (BGBl. I, 509), nachfolgend InsOBekVO haben öffentliche Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet den Anforderungen der Verordnung zu entsprechen. Satz 2 schreibt vor, dass die Veröffentlichung nur die personenbezogenen Daten enthalten darf, die nach der InsO oder nach anderen Gesetzen, die eine öffentliche Bekanntmachung in Insolvenzverfahren vorsehen, bekannt zu machen sind. § 4 InsOBekVO bestimmt, dass die Insolvenzgerichte sicherstellen müssen, dass jemand von den öffentlichen Bekanntmachungen in angemessenem Umfang unentgeltlich Kenntnis nehmen kann. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 InsOBekVO ist durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Daten spätestens nach dem Ablauf von zwei Wochen nach dem ersten Tag der Veröffentlichung (also noch vor Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde) nur noch abgerufen werden können, wenn die Abfrage den Sitz des Insolvenzgerichts und mindestens eine der folgenden Angaben enthält:

a) den Familiennamen,

b) die Firma,

c) den Sitz oder Wohnsitz des Schuldners,

d) das Aktenzeichen des Insolvenzgerichts oder

e) Registernummer und Sitz des Registergerichts.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 InsOBekVO können die Angaben nach Satz 1 Nr. 3 lit. a bis e unvollständig sein, sofern sie Unterscheidungskraft besitzen. Dabei führt die fehlende Angabe des Vornamens nach der Auffassung des BGH, dass die Veröffentlichung keine Wirkungen entfalten kann. Der Inhalt der öffentlichen Bekanntmachungen muss sich daran ausrichten, dass die Adressaten in die Lage versetzt werden, ihre Rechte wahrzunehmen, derentwegen die Bekanntmachung erfolgt. Hierzu ist der Schuldner genau zu bezeichnen.

Fehlen die in § 9 Abs. 1 Satz 2 InsO angegebenen Mindestanforderungen, zu denen die genaue Bezeichnung des Schuldners gehört, ist die öffentliche Bekanntmachung wirkungslos. Demzufolge war im vorliegenden Fall der Gläubigerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

BGH, Beschluss vom 10.10.2013, Az.: IX ZB 229/11, siehe u. a. NJW-RR 6/2014, 369 ff.


Darlegungserfordernis der Deliktsforderung im Rahmen der Forderungsanmeldung

27.03.14 | Selbst wenn eine Zeitung in ihrem Bericht über ein falsches Gerücht, darauf hinweist, dass es sich um ein Gerücht handelt, kann dies eine erhebliche Geldentschädigung begründen (OLG Hamburg mit Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 7 U 32/15).

Ein Verlag berichtete in einem Artikel über ein in Deutschland sehr bekanntes Ehepaar (Corinna und Michael Schumacher). Auf dem Titelblatt war die folgende Schlagzeile abgedruckt: „Wie gemein! … Sie standen vor der Trennung! Wer setzt solche Gerüchte in die Welt? Es geht um die Zeit vor dem Unfall…“ Ursprünglich veröffentlichte ein Nutzer entsprechende Gerüchte auf seinem öffentlichen Facebook-Profil.

Der Artikel im Innenteil der auflagenstarken Zeitung befasste sich dann mit den Gerüchten über die Trennungsabsichten des berühmten Ehepaars.

Nach Ansicht des OLG Hamburg steht den Betroffenen eine Geldentschädigung in Höhe von 30.000 € zu, da die Verbreitung des unwahren Gerüchts das Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise verletze und rechtswidrig in die Privatsphäre des Ehepaars eingreife. Der Verlag habe keine Recherche dargelegt, auf welchen Erkenntnissen der vorhergehende Facebook-Post beruhe.

Die Verbreitung des Gerüchts wurde in dem Artikel zwar als „gemein“, „fies“ und „widerlich“ bezeichnet, dennoch seien diese Stellungnahmen nichtssagend und gäben keine Auskunft darüber, ob die Gerüchte wahr seien oder nicht.

Das Gericht nahm daher an, dass die Zeitung die Gerüchte ungeprüft einfach übernommen und sich nicht ausreichend davon distanziert habe, so dass ein hoher Schadensersatzanspruch gerechtfertigt sei.


Erbschaft in der Insolvenz und Arbeitslosengeld II – Berücksichtigungsfähigkeit einer Erbschaft im Spannungsverhältnis zwischen Leistungsbezug und Insolvenzverfahren

25.03.14 | Hilfebedürftig im Sinne der Vorschrift des § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Personen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Als zu berücksichtigendes Einkommen sind nach § 11 Abs. 1 SGB II alle Einnahmen des Hilfebedürftigen in Geld oder Geldeswert unter Berücksichtigung der weiteren Ausnahmen des SGB II in Ansatz zu bringen.

Das zu berücksichtigende Einkommen errechnet sich damit bei Anfall einer Erbschaft grundsätzlich ausgehend von dem Erbe und dem Erwerbseinkommen unter Berücksichtigung der vorzunehmenden Absetzungsbeträge sowie der Verteilung des Einkommens innerhalb einer möglichen Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 SGB II.

Im laufenden Insolvenzverfahren ist demgegenüber die Erbschaft gleichfalls insolvenzrechtlich zu berücksichtigen. Gemäß § 35 Abs. 1 InsO umfasst der Begriff der Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört oder das er während des Verfahrens erlangt.

Wird eine nach Insolvenzeröffnung angefallene Erbschaft durch den Schuldner angenommen, so fällt die Erbschaft in voller Höhe als neu erlangtes Vermögen in die Insolvenzmasse (vgl. Eberhard Braun –Bäuerle, InsO, 5. Auflage, § 35, Rn. 42).

Erwirbt der Schuldner während der Wohlverhaltensperiode aufgrund einer Erbschaft Vermögen, so hat er die Hälfte dieses Vermögenswertes gem. der Vorschrift des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO an den Treuhänder herauszugeben.

Aufgrund dieses Spannungsfeldes zwischen Sozialrecht und Insolvenzrecht war streitig, wie sich der Erbschaftsfall bei einem Arbeitslosengeld II beziehenden Schuldner im Insolvenzverfahren auf die Höhe seiner Grundsicherung auswirkt.

Erbt der Schuldner während des laufenden Insolvenzverfahrens, so ist er aufgrund der bestehenden Vermögensbefugnis zugunsten des Insolvenzverwalters bzw. Treuhänders bei Annahme der Erbschaft verpflichtet, die Erbschaft der Insolvenzmasse herauszugeben. Während der Wohlverhaltensperiode ist der Schuldner gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO verpflichtet, die Hälfte des Vermögenswertes an den Treuhänder herauszugeben.

Allerdings ist der Schuldner nicht verpflichtet, die Erbschaft anzunehmen. Nach § 83 Abs. 1 Nr. 1 InsO verbleibt das Recht auf Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft auch nach Verfahrenseröffnung beim Schuldner. Diese Regelung gilt nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH auch für die Dauer der Wohlverhaltensperiode. Während der Wohlverhaltensperiode trifft den Schuldner dabei lediglich eine entsprechende Obliegenheit zur Herausgabe der Hälfte des Vermögens das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erworben hat. Verletzt er diese Obliegenheit, besteht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen (Versagungsantrag eines Gläubigers, Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger, Verschulden des Schuldners) die Möglichkeit, gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen.

Die insolvenzrechtliche Ausgangsposition verkompliziert sich, wenn der Schuldner, der die Erbschaft annimmt Arbeitslosengeld II bezieht. Dann nämlich stellt sich die Frage, ob die Erbschaft in voller Höhe, in halber Höhe oder unter Umständen gar nicht als Einkommen des Schuldners zu berücksichtigen ist.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 06.08.2012, Az.: L 19 AS 771/12 entschieden, dass die Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht dazu führt, dass auch grundsicherungsrechtlich nur die Hälfte des Vermögens als Einkommen zu berücksichtigen ist. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat seine Entscheidung damit begründet, dass ein Schuldner, der die Erbschaft annehme diese zur Sicherung des Lebensunterhaltes und nicht zur Schuldentilgung verwenden müsse.

Die hiergegen gerichtete Revision zum Bundessozialgericht hatte Erfolg. Mit Urteil vom 12.06.2013 zum dem gerichtlichen Aktenzeichen B 14 AS 73/12 R hat das Bundessozialgericht die Erbschaft nur in Höhe der tatsächlich der Schuldnerin verbleibenden Hälfte der Erbschaft als berücksichtigendes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II angesehen. Dabei hat das Bundessozialgericht darauf abgestellt, dass der Schuldnerin nur die Hälfte des Erbes tatsächlich zur Verfügung stand, weil sie die andere Hälfte an den Treuhänder überwiesen hatte. Entscheidend für das Bundesozialgericht war, dass die Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen voraussetzt, dass das zugeflossene Einkommen als breites Mittel auch geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Dies gilt nach der Begründung des Bundessozialgerichts auch bei Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme über einen Verteilungszeitraum hinweg. Wenn die einmalige Einnahme aber tatsächlich nicht zur Verfügung steht, schließt dies ein Anspruch auf Leistungen des Sozialleistungsträgers nicht aus. Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderlegbaren Annahme, dass die Hilfeleistung bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten – hier dem Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen – (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Artikel 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 20 GG nicht vereinbart. Insoweit hat das Bundessozialgericht auf eine Entscheidung vom 29.11.2012 zu dem gerichtlichen Aktenzeichen B 14 AS 33/12 R verwiesen, in der der Schuldner eine Steuererstattung zur Schuldentilgung verwandt hatte.

Allerdings hat das Bundessozialgericht unter Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung angemerkt, dass ein solches Verhalten ein Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auslösen kann, wobei jedoch die Kenntnis der leistungsberechtigten Person, das Verhalten des Beklagten usw. zu beachten sind.

Nach § 34 SGB II hat derjenige, der vorsätzlich oder grobfahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, die deswegen gezahlten Leistungen zu ersetzen.

In seiner Entscheidung vom 12.06.2013 hat das Bundessozialgericht angedeutet, dass im vorliegenden Fall das Verhalten des Treuhänders besonders zu würdigen sei, da dieser von der Schuldnerin „mit Vehemenz“ die Hälfte der Erbschaft verlangt hatte (vgl. BSG, Urteil vom 12.06.2013, Az.: B 14 AS 73/12 R, Rn. 25).

Demnach lege in der Geltendmachung eines Ersatzanspruches durch das Jobcenter ggf. eine besondere Härte gem. § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Grundsätzlich wird in entsprechenden Fallkonstellationen davon auszugehen sein, dass die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nicht vorliegen (vgl. Rein, NJW-Spezial, Heft 5, 2014, 149 (150)).

Die insolvenzrechtliche Pflicht zur Herausgabe der Erbschaft bzw. die Obliegenheit der Herausgabe der hälftigen Erbschaft an den Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode stellen nach diesseitigem Dafürhalten einen wichtigen Grund für die Herausgabe dar. Denn nur wer die Erbschaft bzw. die Hälfte der Erbschaft entsprechend seinen insolvenzrechtlichen Pflichten oder aber gem. der Obliegenheit des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO herausgibt, riskiert nicht, die anlässlich des Insolvenzverfahrens angestrebte Restschuldbefreiung zu verlieren.

Gleichwohl dürfte die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 12.06.2013 zu dem Az.: B 14 AS 73/12 R dahingehend für Rechtssicherheit sorgen, dass einem Schuldner, der während der Wohlverhaltensperiode eine Erbschaft annimmt und die Hälfte seines Erbteils entsprechend der ihm obliegenden Verpflichtung an den Treuhänder abführt, grundsicherungsrechtlich nur die Hälfte des Erbes als Einkommen angerechnet wird.