Mai 2011

Nebenkostenforderungen bei Insolvenz des Mieters

24.05.11 | Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13.04.2011, Aktenzeichen VIII ZR 295/10, entschieden, dass Nebenforderungen des Vermieters für den Zeitraum vor der Insolvenzer-öffnung des Mieters einfache Insolvenzforderungen darstellen, auch wenn diese erst nach dem Eröffnungszeitpunkt zur Abrechnung gelangen.

In der Insolvenz des Mieters ist die einen Abrechnungszeitraum vor Insolvenzeröffnung betreffende Betriebskostennachforderung des Vermieters somit auch dann lediglich einfa-che Insolvenzforderung, wenn der Vermieter erst nach der Insolvenzeröffnung oder nach dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters gem. § 109 Abs. 1 S. 2 InsO abgerechnet hat. Die Qualifizierung als Insolvenzforderung führt dazu, dass die Nebenkostenforderung während der Dauer des Insolvenzverfahrens gem. § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren, nämlich durch Anmeldung dieser Forderung zur Tabelle gem. § 174 Abs. 1 InsO, verfolgt werden kann.

Insolvenzgläubiger sind gem. § 38 InsO die persönlichen Gläubiger, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Dabei gelten nach § 41 Abs. 1 InsO nicht fällige Forderungen als fällig.

Demzufolge handelt es sich auch bei Nachforderungen von Betriebskosten, die für einen Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung geschuldet werden, um Insolvenzforderungen gem. §§ 38, 108 Abs 3 InsO. Dem steht auch nicht entgegen, dass die entsprechende Be-triebskostenabrechnung zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht erstellt war. Denn auch nicht fällige oder auflösend oder aufschiebend bedingte Ansprü-che können zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Soweit der Geldbetrag einer Forde-rung noch nicht bestimmt ist, ist er nach § 45 InsO zu schätzen.

Für den Fall einer zwischenzeitlich erfolgten Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann der Vermieter seine Forderung wieder gegen den Schuldner persönlich geltend machen (§ 201 Abs. 1 InsO). Allerdings erfasst eine spätere Restschuldbefreiung nach §§ 286, 301 Abs. 1 InsO auch diese Forderung soweit eine Anmeldung zur Insolvenztabelle unterblie-ben ist (vgl. soweit BGH Urteil vom 16.12.2010, AZ.: IX ZR 24/10).


Steuerhinterziehung als Versagungsgrund

24.05.11 | Auch eine Steuerstraftat kann nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.

Gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung oder danach vorsätzlich oder grob fahrlässig, schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Zahlungen an öffentliche Kassen zu vermeiden.

Hierbei ist irrelevant, ob das entsprechende strafrechtlich relevante Verhalten des Schuldners einen Straftatbestand erfüllt, der im § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannt oder nicht genannt ist. Denn die Norm entfaltet insoweit keine Sperrwirkung.

So hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 13.01.2011 – AZ: IX ZB 199/09 – eine Rechtsbeschwerde eines Schuldners gegen die Versagung der Restschuldbefreiung als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung ist auch nicht zu beanstanden, da allgemein anerkannt ist, dass Steuerhinterziehungen unter § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen kön-nen, also nicht durch § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgeschlossen sind.


Forderungen aus Rechtshandlungen nahestehender Personen

24.05.11 | Insolvenzforderungen von dem Schuldner nahestehenden Personen sind gegenüber an-deren Insolvenzforderungen nachrangig im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, sofern diese einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 17.02.2011 zu dem Aktenzeichen IX ZR 131/10 entschieden, das Darlehen naher Angehöriger nicht per se als nachrangige Forderungen zu gelten haben.

So sind Forderungen aus der Rechtshandlung eines Dritten nicht deshalb wie Gesell-schafterdarlehen nachrangig zu befriedigen, weil es sich bei dem Dritten um eine nahe-stehende Person im Sinne des § 138 InsO handelt. Auch die Gewährung eines ungesi-cherten Darlehens durch eine nahestehende Person begründet keinen ersten Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung.

So sind Darlehen, die innerhalb der Familie im Vertrauen auf die Person des zur Familie gehörenden Darlehensnehmers gewährt werden, nichts ungewöhnliches. Auch der Um-stand einer fehlenden Sicherheit rechtfertigt es aus Sicht des Bundesgerichtshofes nicht, die Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Darlehensgebers zu verschieben.

So obliegt es weiterhin dem Insolvenzverwalter ggf. nachzuweisen, ob die einem Schuld-ner zur Verfügung gestellten Mittel nicht doch letztlich dem Vermögen des Gesellschafters zuzurechnen sind.


[:en]25.10.17 | Selbst wenn eine Zeitung in ihrem Bericht über ein falsches Gerücht, darauf hinweist, dass es sich um ein Gerücht handelt, kann dies eine erhebliche Geldentschädigung begründen (OLG Hamburg mit Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 7 U 32/15).

Ein Verlag berichtete in einem Artikel über ein in Deutschland sehr bekanntes Ehepaar (Corinna und Michael Schumacher). Auf dem Titelblatt war die folgende Schlagzeile abgedruckt: „Wie gemein! … Sie standen vor der Trennung! Wer setzt solche Gerüchte in die Welt? Es geht um die Zeit vor dem Unfall…“ Ursprünglich veröffentlichte ein Nutzer entsprechende Gerüchte auf seinem öffentlichen Facebook-Profil.

Der Artikel im Innenteil der auflagenstarken Zeitung befasste sich dann mit den Gerüchten über die Trennungsabsichten des berühmten Ehepaars.

Nach Ansicht des OLG Hamburg steht den Betroffenen eine Geldentschädigung in Höhe von 30.000 € zu, da die Verbreitung des unwahren Gerüchts das Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise verletze und rechtswidrig in die Privatsphäre des Ehepaars eingreife. Der Verlag habe keine Recherche dargelegt, auf welchen Erkenntnissen der vorhergehende Facebook-Post beruhe.

Die Verbreitung des Gerüchts wurde in dem Artikel zwar als „gemein“, „fies“ und „widerlich“ bezeichnet, dennoch seien diese Stellungnahmen nichtssagend und gäben keine Auskunft darüber, ob die Gerüchte wahr seien oder nicht.

Das Gericht nahm daher an, dass die Zeitung die Gerüchte ungeprüft einfach übernommen und sich nicht ausreichend davon distanziert habe, so dass ein hoher Schadensersatzanspruch gerechtfertigt sei.


Nahestehende Personen im Insolvenzrecht

24.05.11 | Im Hinblick auf die Korrektur möglicher Vermögensverschiebungen auf zum Schuldner nahestehender Personen sieht das Anfechtungsrecht der Insolvenzordnung vor, dass innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ein mit einer nahestehenden Person geschlossener Vertrag vom Insolvenzverwalter angefochten werden kann (§ 133 Abs. 2 S. 1 InsO).

Zu den nahestehenden Personen eines Schuldners, der eine natürliche Person ist, zählen gem. § 138 Abs. 1 InsO der Ehegatte des Schuldners (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO), der Lebenspartner des Schuldners (§ 138 Abs. 1 Nr. 1 a InsO) und Verwandte des Schuldners oder seines Ehegatten oder Lebenspartners (§ 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

Nicht zu den nahestehenden Personen zählen indes die Eltern eines nichtehelichen Partners des Schuldners.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 17.03.2011 zu dem Aktenzeichen IX ZA 3/11, entschieden, dass die Mutter einer Lebensgefährtin, mit der der Schuldnerin einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, nicht den nahestehenden Personen zugerechnet werden kann.

Demzufolge kann der Wortlaut des § 138 Abs. 1 Nr. 1, 1a InsO, der auf die rechtsverbindliche Schließung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft abstellt, nicht auf faktische Lebensgemeinschaften erstreckt werden.


Die Kunst des richtigen Vererbens

24.05.11 | Das Erbrecht hat die Funktion, das Privateigentum als Grundlage der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung nicht mit dem Tod des Eigentümers untergehen zu lassen, sondern seinen Fortbestand für die Erben zu sichern. Dabei kann eine Vermögensnachfolge gestaltet wer-den und auch bereits unter Lebenden erfolgen. Hierdurch können u. a. sogar Steuerbelas-tungen für die Erben vermieden werden.

Die gesetzliche Erbfolge wird durch verschiedene Prinzipien geprägt. Nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge geht mit dem Tod einer Person deren Vermögen einschließlich der Schulden(!) automatisch als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über. Demzufolge kann ein überschuldeter Nachlaß zu einer wirtschaftlichen Belastung der Erben führen, wenn nicht rechtzeitig haftungsbegrenzende Maßnahmen ergriffen werden.

Die gesetzliche Erbfolge wird grundlegend durch ein Ordnungssystem bestimmt, welches nach Erben verschiedener Ordnung unterscheidet. Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, werden gesetz-liche Erben die Eltern, sonst Geschwister bzw. Neffen und Nichten des Erblassers. Weiter-gehend kommen Cousinen und Cousins des Erblassers als Erben in Betracht.

Nach dem Ehegattenerbrecht erhalten Ehegatten neben Erben erster Ordnung einen gesetz-lichen Erbteil in Höhe von ¼ bzw. neben Erben höherer Ordnung einen Erbteil von ½. Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, erhöht sich der Erbteil um ein weiteres ¼, den sogenannten erbrechtlichen Zugewinnausgleich. Dabei ist unerheb-lich, ob die Ehegatten im Einzelfall tatsächlich einen Zugewinn erzielt haben.

Abweichend von der gesetzlichen Erbfolge hat der Erblasser die Möglichkeit, durch letztwilli-ge Verfügungen von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) Bestimmungen bezüglich der von ihm beabsichtigten Erbfolge vorzunehmen. Für diesen Fall gilt die gesetzliche Erb-folge nicht mehr. Zu beachten ist jedoch, daß ein Testament – sofern es nicht notariell errich-tet wird – insgesamt handschriftlich verfaßt und eigenhändig unterschrieben sein muß.

Falls aufgrund einer Verfügung von Todes wegen Abkömmlinge des Erblassers von der Erb-folge ausgeschlossen worden sind, können diese von dem Erben den sogenannten Pflichtteil verlangen.

Da der Fiskus über die Erbschaftssteuer bzw. Schenkungssteuer sowohl an der Vermögens-nachfolge unter Lebenden als auch von Todes wegen partizipiert und in diesem Bereich Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, sollten diese angegangen werden, solange dazu noch die Möglichkeiten bestehen. Dies gilt insbesondere, wenn Betriebsvermögen Gegenstand der Erbfolge ist.

Um im einzelnen die im Erb- bzw. Erbschaftssteuerrecht bestehenden Klippen gefahrlos zu umschiffen, sollte zu gegebener Zeit qualifizierter Rat durch einen Steuerberater bzw. Rechtsanwalt mit einschlägiger Ausrichtung eingeholt werden.


Die Steuerfahndung – Was tun?

24.05.11 | Es ist mittlerweile bittere Realität, daß sich immer mehr Steuerpflichtige Fahndungsaktionen der Finanzverwaltung ausgesetzt sehen.
Die Steuerfahndung, die fast immer unverhofft Fahndungsmaßnahmen einleitet und durch-führt, kommt meistens jedoch nicht aus heiterem Himmel. Diesbezüglich sind in der Praxis oftmals verschiedene Anhaltspunkte zu erkennen. Regelmäßig führen Fahndungsmaßnah-men dazu, daß die Steuerfahndung mit einem Hausdurchsuchungsbefehl erscheint. Gleich-zeitig ist jedoch damit zu rechnen, daß die Durchsuchung sich nicht auf die Wohnung be-schränkt, sondern auch an anderen Orten, wie z. B. dem Ferienhaus, den Betriebsräumen, der Bank, bei Geschäftspartnern oder dem Steuerberater, erfolgt. In der Praxis wird dabei regelmäßig umfangreiches Material ohne vollständige Durchsicht von den Fahndern be-schlagnahmt. Grundsätzlich bedarf jede Durchsuchungsmaßnahme eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses. Lediglich bei Gefahr in Verzug darf ein Staatsanwalt bzw. des-sen Hilfsbeamte eine Durchsuchung anordnen. Erscheint die Steuerfahndung zur Durchfüh-rung von Durchsuchungsmaßnahmen, sollte der Steuerpflichtige sich in jedem Fall die rich-terliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung vorlegen lassen und diese auch überprüfen. Aus den entsprechenden Dokumenten läßt sich entnehmen, welche Räumlich-keiten durchsucht und welche Unterlagen ggfs. beschlagnahmt werden dürfen. Liegt eine richterliche Durchsuchungsanordnung nicht vor, muß die Fahndungsmaßnahme hinsichtlich ihrer Eilbedürftigkeit begründet sein.
Zu den Rechten des Steuerpflichtigen gehört es, ungehindert – insbesondere allein – mit ei-nem von ihm gewählten Rechtsanwalt sprechen oder auch telefonieren zu dürfen. Allerdings sollte der Steuerpflichtige jegliche Versuche unterlassen, die Fahndungsbeamten von ein-zelnen Ermittlungsmaßnahmen abzuhalten. Auch sind Kurzschlußreaktionen, wie z. B. die Räumung von Konten oder Reisen ins Ausland, durch den Steuerpflichtigen zu vermeiden, da anderenfalls Gründe für den Erlaß eines Haftbefehls angenommen werden könnten. Rat-sam ist ferner, sich zum Zeitpunkt der Fahndung nicht zu dem Umfang der Beschuldigungen zu äußert.
Spätestens nach Durchführung der Fahndungsmaßnahmen sollte umgehend Kontakt zum Steuerberater und zum Rechtsanwalt aufgenommen werden, die im Weiteren den Kontakt mit dem Besteuerungsfinanzamt und dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen koordi-nieren.


[:en]25.10.17 | Selbst wenn eine Zeitung in ihrem Bericht über ein falsches Gerücht, darauf hinweist, dass es sich um ein Gerücht handelt, kann dies eine erhebliche Geldentschädigung begründen (OLG Hamburg mit Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 7 U 32/15).

Ein Verlag berichtete in einem Artikel über ein in Deutschland sehr bekanntes Ehepaar (Corinna und Michael Schumacher). Auf dem Titelblatt war die folgende Schlagzeile abgedruckt: „Wie gemein! … Sie standen vor der Trennung! Wer setzt solche Gerüchte in die Welt? Es geht um die Zeit vor dem Unfall…“ Ursprünglich veröffentlichte ein Nutzer entsprechende Gerüchte auf seinem öffentlichen Facebook-Profil.

Der Artikel im Innenteil der auflagenstarken Zeitung befasste sich dann mit den Gerüchten über die Trennungsabsichten des berühmten Ehepaars.

Nach Ansicht des OLG Hamburg steht den Betroffenen eine Geldentschädigung in Höhe von 30.000 € zu, da die Verbreitung des unwahren Gerüchts das Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise verletze und rechtswidrig in die Privatsphäre des Ehepaars eingreife. Der Verlag habe keine Recherche dargelegt, auf welchen Erkenntnissen der vorhergehende Facebook-Post beruhe.

Die Verbreitung des Gerüchts wurde in dem Artikel zwar als „gemein“, „fies“ und „widerlich“ bezeichnet, dennoch seien diese Stellungnahmen nichtssagend und gäben keine Auskunft darüber, ob die Gerüchte wahr seien oder nicht.

Das Gericht nahm daher an, dass die Zeitung die Gerüchte ungeprüft einfach übernommen und sich nicht ausreichend davon distanziert habe, so dass ein hoher Schadensersatzanspruch gerechtfertigt sei.


Strafhöhe bei Steuerhinterziehung

24.05.11 | Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat mit Urteil vom 02.12.2008, AZ.: 1 StR 416/08, zu der Frage der Strafzumessung bei dem Straftatbestand der Steuerhinterziehung grundsätzlich Stellung genommen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass bei einer Steuerhinterziehung die Höhe des Hinterziehungsbetrages ein Strafzumessungsgrund von besonderem Gewicht ist. Der Steuerschaden bestimmt daher auch maßgeblich die Höhe der Strafe. Dabei kommt der gesetzlichen Vorgabe des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO indizielle Bedeutung zu, wonach bei einer Hinterziehung in „großen Ausmaß“ in der Regel nur eine Freiheitsstrafe, und zwar von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, angedroht ist. Der Bundesgerichtshof hat ferner ausgeführt, dass ein großes Ausmaß dann vorliegt, wenn der Steuerschaden mehr als 50.000,00 € beträgt.

Das führt im Ergebnis dazu, dass jedenfalls bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen ist. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe kommt eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe wird auch eine Erledigung im Strafbefehlsverfahren regelmäßig nicht mehr möglich sein, da hier nur eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, verhängt werden kann.

Weiterhin hat der Bundesgerichtshof im Rahmen dieser Entscheidung grundsätzliche Ausführung zu der Frage der Berechnung der Höhe der Beitragshinterziehung im Hinblick auf die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen gemacht.

Die Berechnung der Höhe der Beitragshinterziehung nach § 266 a StGB bei Schwarzarbeit richtet sich nach der neuen gesetzlichen Vorgabe des § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV. Danach gilt die Zahlung des Schwarzlohns für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr wie bisher als Bruttolohnabrede, sondern als Nettolohnabrede. Dies hat zur Folge, dass das ausbezahlte Arbeitsentgelt zu einem Bruttolohn hochzurechnen ist. Das führt zu der Konsequenz, dass der Hinterziehungsbetrag höher ausfällt als bei Annahme einer Bruttolohnabrede.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu der erforderlichen Strafzumessung bei Steuerhinterziehungen sowie der Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen wird daher nachhaltige Bedeutung in der Praxis erlangen.


Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

24.05.11 | Die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige ist eine rechtlich einmalige Möglichkeit trotz eines vollendeten Straftatbestandes Straffreiheit zu erlangen und demzufolge nicht bestraft zu werden.

Die erfolgreich durchgeführte Selbstanzeige ist ein persönlicher Strafaufhebungsgrund.

Insoweit unterscheidet sich die strafbefreiende Selbstanzeige von dem Rücktritt nach dem Strafgesetzbuch dadurch, dass ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 SGB nur im Versuchsstadium der Handlung möglich ist. Darüber hinaus kennt das Strafrecht keine dem
§ 371 AO vergleichbare Vorschrift über die Erlangung einer Straffreiheit durch Wiedergutmachung.

Allerdings hat die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung mit dem am 03.05.2011 in Kraft getretenen sogenannten Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (vgl. BGBl. I 2011, S. 676 f) eine Neuregelung erfahren. So wurden mit der Neuregelung die Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige erheblich verschärft.

So kann nach § 371 Abs. 1 AO n. F. nur noch derjenige Straffreiheit in Bezug auf eine Steuerhinterziehung erlangen, wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtig, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt.

Die Selbstanzeige hat künftig damit nur noch dann eine strafbefreiende Wirkung, wenn gegenüber der Finanzbehörde vollständige Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart gemacht werden. Ziel der Neuregelung der Selbstanzeige ist, dass zukünftig Steuerhinterzieher, die eine Selbstanzeige nur insoweit erstatten, wie sie eines Aufdeckung befürchten, nicht mehr mit Straffreiheit belohnt werden (BT-Drs. 17/4182, S. 4).

Das nunmehr gesetzlich verankerte Vollständigkeitsgebot kann somit im Falle der Missachtung, aber auch bereits im Falle der unsensibilisierten Außerachtlassung dramatischen Folgen haben. Denn für diesen Fall ist kein persönlicher Strafaufhebungsgrund im Hinblick auf den „teilreuigen Steuersünder“ gegeben und somit keine Straffreiheit mehr zu erlangen.

Die Selbstanzeige muss somit nunmehr alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart umfassen. Maßgebend ist hierfür die steuerrechtliche Verfolgungsverjährung, nicht die steuerliche Festsetzungsverjährung.

Hierbei ist darauf zu achten, dass die strafrechtliche Verfolgungsverjährung in § 376 Abs. 1 AO für besonders schwere Fälle von fünf auf zehn Jahren verlängert worden ist. Dies gilt allerdings nur für Taten, die am 25.12.2008 noch nicht der Verfolgungsverjährung unterlagen.

Des Weiteren ist mit der Neuregelung eine Erweiterung der Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO zu verzeichnen.

Bereits in der alten Fassung des § 371 Abs. 2 AO waren die Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens sowie das Erscheinen eines Amtsträgers Sperrgründe für die Erlangung der Straffreiheit im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige.

Neu eingeführt als Sperrgrund wurde daneben die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Für den Eintritt einer Sperrwirkung ist demnach nicht mehr nur das Erscheinen des Prüfers (jetzt § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO), sondern bereits die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung nach § 196 AO gegenüber dem Täter bzw. seinem Vertreter maßgebend.

Straffreiheit tritt darüber hinaus nicht ein, wenn eine der Straftaten im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO).

Als weiteres Ausschlusskriterium für die Erlangung der Straffreiheit wurde eine Höchstbetragsgrenze in die Vorschrift aufgenommen. Nach der Neuregelung des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO tritt eine Straffreiheit nicht ein, wenn die nach § 370 Abs. 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder ein anderen erlangten nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50.000,00 € je Tat übersteigt.

Unverändert greift der persönliche Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige nur, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessen Frist entrichtet.

Neben der Verschärfung der Vorschrift des § 371 AO hat der Gesetzgeber zusätzlich die Vorschrift des § 398 a AO in die steuerrechtliche Verfahrensordnung aufgenommen. Diese neue Vorschrift sieht vor, dass in den Fällen, in denen Straffreiheit lediglich aufgrund des Sperrgrundes des § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO (Betragsgrenze von 50.000,00 €) nicht greift, von der Verfolgung von der Tat abgesehen werden kann, wenn der Täter die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern und einen Geldbetrag in Höhe von 5 % der hinterzogenen Steuern zu Gunsten der Staatskasse zahlt.

Damit hat der Gesetzgeber das bisherige Recht der Selbstanzeigenregelung erheblich und nachdrücklich verschärft.


Zugehörigkeit von erbrechtlichen Ansprüchen zur Insolvenzmasse

13.05.11 | Im Rahmen eines laufenden Insolvenzverfahrens gehören Erb- und Pflichtteilsansprüche zur Insolvenzmasse. Das Insolvenzverfahren erfasst gem. § 35 InsO das gesamte Vermöge, dass dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt.

Während der Wohlverhaltensperiode bzw. des Restschuldbefreiungsverfahrens nach erfolgter Aufhebung gem. § 200 InsO hat der Schuldner Vermögen, dass er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

Wird ein Erb- oder Pflichtteilsanspruch innerhalb des laufenden Insolvenzverfahrens erworben und erst nach dessen Aufhebung realisiert, so gehören diese Ansprüche doch zur Insolvenzmasse. Wird der Anspruch erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens anerkannt oder rechtskräftig durchgesetzt, unterfällt er der sog. Nachtragsverteilung.

Die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist auch im Verbraucherinsolvenzverfahren möglich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein Schlusstermin nach § 197 InsO ggf. auch im schriftlichen Verfahren, stattgefunden hat. Ausreichend hierfür ist, dass eine öffentliche Bekanntmachung des Termins erfolgt ist. Eine unmittelbare Ladung sämtlicher Verfahrensbeteiligter ist hierfür nicht erforderlich.

Der auf die Anordnung der Nachtragsverteilung gerichtete Antrag des Treuhänders ist an keine Frist gebunden, weil die Nachtragsverteilung auch von Amts wegen angeordnet werden kann. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der Nachtragsverteilung ergeben sich aus § 203 InsO.

Nicht eindeutig geklärt war bislang lediglich, ob dann, wenn der Schuldner einen während des Insolvenzverfahrens erworbenen Erb- bzw. Pflichtteilsanspruch nach dessen Aufhebung geltend macht, eine Nachtragsverteilung zu erfolgen hat oder der Halbteilungsgrundsatz des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO gilt bzw. der Schuldner dem daraus sich ergebenen Vermögenswert insgesamt behalten kann. Mit Blick auf die Massezugehörigkeit des Anspruchs bis zu Verfahrensaufhebung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 02.12.2010, AZ.: IX ZB 184/09 entschieden, dass nur die Nachtragsverteilung die richtige Verfahrensweise ist. Der Schuldner hat den Anspruch mit Eintritt des Erbfalls im Sinne des § 25 Abs. 1 InsO erlangt.

Allerdings bleibt es dem Schuldner mit Rücksicht auf den familiären Hintergrund allein überlassen, ob er den Anspruch geltend macht und der Pflichtteilsberechtigte diesen ggf. gegenüber den Erben durchzusetzen beabsichtigt. Dieses Bestimmungsrecht des Schuldners ist unbenommen der durch den Bundesgerichtshof getroffenen Entscheidung, dass ein während des Insolvenzverfahrens erworbener und nach Verfahrensaufhebung vom Schuldner rechtshängig geltend gemachter Pflichtteilsanspruch der Nachtragsverteilung unterstellt wird.

Entscheidet sich der Schuldner gegen die Geltendmachung, kann der Anspruch nicht für die Masse verwertet werden. Macht er den Anspruch aber geltend, unterliegt er als Neuerwerb während des Insolvenzverfahrens der Nachtragsverteilung.


Unzulässiger Imagetransfer: ATU darf nicht mit Bildmarke von VW werben

11.05.11 | Die Kfz-Werkstattkette ATU darf nicht mit der Bildmarke von VW für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen werben. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 14.04.2011 entschieden (AZ I ZR 33/10).

Im vorliegenden Fall hatte ATU in einem Werbeprospekt für die Inspektion von VW-Fahrzeugen geworben und in diesem Zusammenhang das eingekreiste VW-Logo abgebildet. Hiergegen wandte sich VW als Inhaberin der entsprechenden Bildmarke, die für Kraftfahrzeuge und deren Wartung eingetragen ist.

Der BGH gab VW Recht und schloss sich damit im Ergebnis den Vorinstanzen an. Er hielt die Werbung von ATU für eine Verletzung der Markenrechte von VW. Durch die Benutzung der bekannten Bildmarke komme es zu einem Imagetransfer, der die Marke von VW schwäche.

Zwar sei die Benutzung einer Marke zulässig, wenn sie als Hinweis auf den Gegenstand der Dienstleistungen des Werbenden erforderlich sei und nicht gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel verstoße. Nach Ansicht des BGH war ATU aber nicht auf die Benutzung der Bildmarke angewiesen, sondern hätte ohne Weiteres anstelle der Bildmarke die Wortzeichen „VW“ oder „Volkswagen“ verwenden können.